Die Zahl der Asylwerber, die nicht inorganisierten Quartieren wohnen,
hat zugenommen.
Zwei Drittel der Gemeinden in Österreich haben mittlerweileFlüchtlinge in Quartieren der Grundversorgung aufgenommen. Voreinem Jahr war es nur ein Drittel. Aber nicht nur die Zahl derGemeinden, die sich zur Aufnahme von Flüchtlingen bereiterklärten, ist gestiegen. Auch die Zahl der Flüchtlinge, die inPrivatquartieren untergebracht ist, ist gestiegen.
„jederzeit wieder“
Text von
Julia Schenk
Ähnlich die Entwicklung in der Steiermark und Kärnten, wogegenüber dem Jahresbeginn die Zahl der Privatquartiere um 750zugenommen hat. Leicht rückläufig ist die Zahl nur inNiederösterreich (minus 200). Vorarlberg konnte keine aktuellenDaten liefern.
In Salzburg waren Anfang des Jahres 715 Asylwerber bei Privatperso-nen untergebracht. Jetzt, Ende August, sind es 956. Das entsprichteiner Steigerung von 34 Prozent. In Tirol zeigt sich ein ähnlichesBild: Am 1. Jänner 2016 waren 766 privat lebende Personen in derGrundversorgung, mit Stichtag gestern, Montag, waren es 935. InOberösterreich lebten Anfang dieses Jahres 1322 Flüchtlinge in Pri-vatquartieren, jetzt sind es 2040.
Auch in Wien, wo derzeit 20.700 Asylwerber in der Grundversorgungsind, leben die meisten in Privatunterkünften, nämlich 12.830Personen. 7870 wohnen in größeren, organisierten Quartieren. DieseZahlen entsprechen einem Verhältnis von 62 Prozent (privat) zu 38Prozent (organisiert). Zu Jahresbeginn, wo sich in derBundeshauptstadt 18.600 Asylwerber in der Grundversorgungbefanden, lag der Anteil der privat Wohnenden bei 44 Prozent (8180Personen).
Gute Erfahrung
Unter jenen, die Flüchtlinge privat aufgenommen haben, ist auchFamilie Brenn aus Hadersdorf-Weidlingau in Wien-Penzing. Imvergangenen August entschlossen sich Klaus und Marianne Brenn,Flüchtlinge ins Erdgeschoß ihres Hauses einziehen zu lassen. Die ei-genen Kinder waren ausgezogen, also gab es Platz für „neue“ Kin-der. Über die Wohnberatung der Diakonie boten Klaus und MarianneBrenn ihr Erdgeschoß an, binnen einer Woche sind Hiba (29), Bader(31) und Ahmad (24) eingezogen.
Heute, ein Jahr später, wohnen zwei der ursprünglich drei neuenMitbewohner – Bader und Hiba – noch immer bei den Brenns. Obsie die Entscheidung, Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben,bereuen? „Nein, auf gar keinen Fall“, sagen Klaus und MarianneBrenn. Und auch Hiba und Bader bereuen ihren Entschluss nicht.
Anfangs verbrachten die Brenns mit ihren neuen Mitbewohnernnoch oft Abende mit Bauernschnapsen – die sind mittlerweile zwarseltener geworden (auch die „neuen Kinder“ sind flügge geworden),aber der Umgang miteinander nicht weniger herzlich. MarianneBrenn organisierte für Hiba, die ein großes Herz für Tiere hat, zweiHasen als Haustiere. „Sie hat einfach etwas zum Liebhaben
gebraucht“, erzählt Brenn. Jetzt leben Jojo undMojo im Garten von Familie Brenn. Hiba ist
mittlerweile Küchen-Chefin im Restaurant „Habibi & Hawara“ inder Wiener Wipplinger Straße und der 32-jährige Bader lerntintensiv Deutsch. Er ist Englischlehrer und will so schnell wiemöglich wieder arbeiten. Klaus und Marianne Brenn sagen, siewürden „jederzeit wieder“ Flüchtlinge aufnehmen.
Trotz guter Erfahrungen wie jener von Familie Brenn sind dieAngebote an privaten Wohnraum bei der Diakonie aber im Vergleichzum Höhepunkt der Flüchtlingswelle stark rückläufig. ImSeptember und Oktober 2015 gingen in der Wohnberatung 20Angebote täglich ein. Heute sind es drei pro Woche.
Abebben
„Jede Welle ebbt ab. Auch die Welle der Solidarität“, sagt HilmarZschiedrich von der Diakonie. Auch die Wohnraumspenden beimFonds Soziales Wien gingen zurück. Im Vorjahr gab es 400Angebote, im laufenden Jahr waren es bisher 70.
Genug privaten Wohnraum gibt es aber immer noch nicht: Bei derPlattform „Flüchtlinge Willkommen“ stehen derzeit 2000 Personenauf der Warteliste.