Kung Fu: Ein Kampfsport für die innere Ruhe
Im Wiener Shaolin-Tempel lernen junge Flüchtlinge die Kunst der Krieger-Mönche.
Wir haben einfach unsere Türen aufgemacht und plötzlich waren 80 Jugendliche für 50 Plätze da.“ Wolfgang Gall, Gründer und Leiter des Shaolin-Tempels in der Wiener Markhofgasse 19, erinnert sich noch genau daran, als im Sommer 2015 mehr als 300 Flüchtlinge ins Asylzentrum Erdberg eingezogen sind, nicht einmal fünf Gehminuten vom Tempel entfernt.
„Als wir hörten, dass so viele Flüchtlinge kommen, haben wir angefangen zu überle- gen, wie wir helfen können“, erzählt der gebürtige Oberösterreicher im Gespräch mit dem KURIER. Kurz darauf habe man sich entschlossen, eigene Kurse für die vielen Minderjährigen anzubieten. „Wir haben uns mit dem Betreiber der Unterkunft in Ver- bindung gesetzt und plötzlich waren sie da.“
Der Andrang sei „überwältigend“ gewesen, der Raum, in dem der Unterricht stattfand, „bummvoll“, sagt der Hausherr, der vor 14 Jahren den Shaolin-Tempel gegründet hat und seitdem die geheimnisvolle Kampfkunst der Krieger-Mönche unterrichtet. Heute finden die Einheiten integriert statt, geflüchtete Jugendliche trainieren mit Österrei- chern gemeinsam. Das fördere auch den gegenseitig Respekt, betont Gall.
Mediation im Sitzen und in der Bewegung
Nach den ersten Trainings hat die Beteiligung ein wenig nachgelassen. Die Zahl jener, die regelmäßig kommen und üben, ist gering. Für den Leiter des Tempels hat das einen
"Die aus Kriegsgebieten Geflüchteten brauchen Ruhen und eine helfende Hand"
simplen Grund: „Es ist ein sehr intensives und langfristig gedachtes Training. Das fordert Ausdauer und einen extremen Willen. Viele dachten vermutlich, es sei ein Kinderspiel, die verschiedenen Positionen zu können.“ Allerdings, erklärt er, bestehe Kung Fu nicht nur aus „Tricks“. „Wir unterrichten auch Mediation im
Sitzen und in der Bewegung. Das sind zentrale Merkmale des Kampfsports.“
Das Ziel sei, den Geist zur Ruhe zu bringen, und sich seiner selbst bewusst zu werden. Der Tempel soll deswegen als geschützter Bereich dienen, in dem die eigenen inneren Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Gerade für Jugendliche aus Kriegsgebieten sei das wichtig, sagt Gall. „Diese Menschen sind aus Kriegsgebieten geflüchtet, in denen seit Jahren gekämpft wird. Sie brauchen Ruhe und eine helfende Hand.“