„Die EU hat nicht reagiert, sie hat versagt“
Holzhäuser statt Container: Die Stadtgemeinde Seekirchen am Wallersee beschritt bei der Unterbringung von Flüchtlingen neue Wege.
Monika Schwaiger (ÖVP) ist seit 2009 Bürgermeisterin von Seekirchen, eine Kleinstadt im Salzburger Flachgau. Bekannter wurde die Gemeinde 2015, als ein Holzdorf für Flüchtlinge errichtet wurde. Im Gespräch erklärt Schwaiger, welche Erfahrungen Sie im vergangenen Jahr sammeln konnte.
KURIER: Frau Schwaiger, wie viele Flüchtlinge leben derzeit in Seekirchen am Wallersee?
Monika Schwaiger: In der Stadtgemeinde leben in drei Unterkünften insgesamt 112 Flüchtlinge: 36 davon in einem Privatquartier, das vom Arbeitersamariterbund und von Jugend am Werk betreut wird. 76 in den zwei (im Herbst 2015 in kurzer Bauzeit extra für Flüchtlinge errichteten, Anm.) Holzhäusern, dort gibt es eine Rund-um-die-Uhr- Betreuung vom Roten Kreuz Salzburg.
Woher kommen die Flüchtlinge, die in Seekirchen wohnen, hauptsächlich?
Das ist gemischt. Anfangs waren es nur Flüchtlinge aus Syrien. Jetzt haben wir auch Afghanen, Marokkaner, Somalier.
Das von Bund (60 Prozent) und Land (40 Prozent) finanzierte und von der Caritas errichtete Holzdorf gilt als Vorzeigeprojekt in Salzburg. Lief anfangs alles reibungslos ab?
Ich habe relativ kurzfristig davon erfahren, dass in einem Privathaus Flüchtlinge einquartiert werden sollen. „Ich habe mein Haus dem Land zur Verfügung gestellt“, hieß es seitens des Eigentümers. Da habe ich sehr rasch eine kleine Info-Veranstaltung organisiert. Als dann entschieden wurde, die beiden Holzhäuser zu bauen, war mir wichtig, eine große Veranstaltung abzuhalten, damit die Seekirchner ganz gut informiert werden.
Wurden Sie beraten, wie Sie als Bürgermeisterin mit der neuen Situation umgehen sollen?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Aber Franz Neumayer von der Caritas Salzburg – er informiert und begleitet Initiativgruppen bei ihren Aktivitäten für Asylwerbende - ist sehr kompetent und hat sehr geholfen. Und ich habe mit den Betreibern der Unterkünfte gesprochen. Im Allgemeinen bin ich relativ gelassen, vorsichtig und nehme Bedenken der Seekirchner zu Kenntnis.
Hätte vom Bund oder Land mehr Hilfe kommen müssen?
Ich muss die EU sehr kritisieren. Die Flüchtlingsbewegungen gibt es seit Jahren – die EU hat nicht reagiert, sie hat versagt. Und das sage ich als glühende Europäerin. Vorwürfe gegen Bund und Länder wären ungerecht.
Wie reagierte die Bevölkerung? Engagieren sich die Seekirchner?
Unglaublich viel! Es gibt eine große ehrenamtliche Initiative, zirka 250 Menschen engagieren sich in „Seekirchen hilft“. Da wird Fußball gespielt, die Sprache gelernt. Das nimmt der Gemeinde unglaublich viel ab, deswegen funktioniert die Integration sehr gut. Und auch das Verhältnis stimmt: Auf 10.500 Einwohner kommen 112 Flüchtlinge.
Wie versuchen Sie konkret, Flüchtlinge einzubinden?
Wir beschäftigen Asylwerber gemeinnützig in der Gemeinde, etwa beim Bepflanzen von Grünflächen – das machen sie sehr gerne - oder beim Reinigen von Gehsteigen. Sie bekommen dafür einen Anerkennungsbeitrag von fünf Euro die Stunde.
Die letzten Gemeinderatswahlen in Salzburg fanden 2014 statt. Denken Sie als Bürgermeisterin, dass Flüchtlinge die nächste Wahl entscheiden könnten?
Da bin ich untypisch! Ich denke nicht daran, ob ich Wählerstimmen gewinne oder verliere. Ich sehe die Betreuung von Flüchtlingen als Teil unserer sozialen Verantwortung.