„Flüchtlinge sind zumutbar“

70 Prozent der Gemeinden beherbergen  Asylwerber – deutlich mehr als zu Jahresbeginn.

Die große Aufregung hat sich gelegt: Nachdem im Vorjahr händeringend um jedes Flüchtlingsquartier gerungen wurde, gibt es aktuell sogar mehr Unterkünfte  als benötigt: „Im Vorjahr mussten wir von Tag zu Tag organisieren. Das soll nicht mehr passieren – auch wenn auf einen Schlag  wieder mehr Asylwerber als angenommen kommen“, sagt Alexander  Marakovits, Sprecher des Innenministeriums.

In St. Nikola rennt's vernünftig

Deutlich mehr Gemeinden als noch zu Jahresbeginn haben Asylwerber aufgenommen. Eine Gemeinde, die hervorsticht, ist St. Nikola an der Donau in OÖ. 839 Einwohner leben hier – und 108 Flüchtlinge.  „Es rennt ganz vernünftig“, sagt ÖVP-Bürgermeister und Nationalratsabgeordneter Nikolaus Prinz pragmatisch.

„Aber bei so einer großen Zahl ist eine Integration einfach nicht möglich.“  Am ehesten gelinge das noch im Kindergarten und in der Schule. Doch im Alltag führt das auch zu Problemen, etwa am Sportplatz: „Wir haben nur einen kleinen Platz, und die Flüchtlinge spielen da natürlich auch drauf“, sagt der Bürgermeister. Doch zu viel Spiel halte der Rasen nicht aus. Man habe deshalb nun fixe Zeiten eingeführt und einen zusätzlichen Asphaltplatz gebaut. „Jetzt funktioniert’s halbwegs.“

In St. Nikola  würde man schon seit Jahrzehnten Flüchtlinge beherbergen. „Unsere Leute sind sehr tolerant.“ Dass es aber auch Gemeinden gibt, die noch immer keinen einzigen Asylwerber untergebracht haben, wurmt ihn. „Flüchtlinge sind jeder Gemeinde zumutbar.“ Nachsatz: „Wenn’s vom Quartier her passt.“

Text von  Michaela Reibenwein

Die andere Seite der Medaille: Allhaming

Und genau das sei das Problem in  Allhaming, ebenfalls OÖ.  Im Vorjahr schaffte es ÖVP-Bürgermeister Joachim Kreuzinger mit einem Leserbrief in die Medien. In dem verkündete er u. a. sein Unwohlsein bei dem  Gedanken, so viele Menschen mit völlig anderer Weltanschauung, anderer religiöser Einstellung, anderem Verständnis zur Gesetzgebung und anderem Verständnis dem weiblichen Geschlecht gegenüber in der kleinen Gemeinde zu beherbergen.

„Da bin ich in ein Eck gestellt worden, in das ich nicht gehöre“, sagt Kreuzinger heute. „Damals konnte keiner sagen, wie viele Menschen kommen und wohin das führen soll.“ Er habe sich nie dezidiert gegen Flüchtlinge verwehrt. „Aber wir haben keine geeignete Unterkunft.“

Die wird derzeit auch nicht benötigt: „Wir haben mehr als 1000 Plätze, die leer stehen“, heißt es seitens der oö. Landesregierung. Die Veröffentlichung der säumigen Gemeinden im Internet und das Durchgriffsrecht des Bundes haben gewirkt.

Nur zwei Länder erfüllen die Quote

Derzeit erfüllen nur zwei Bundesländer die  Quoten: Vorarlberg (103 Prozent) und Wien (118 Prozent). In der Bundeshauptstadt hat sich die Zahl der Asylwerber in Grundversorgung im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, wie aus dem Jahresbericht des Fonds Soziales Wien hervorgeht: 2015 waren pro Monat  10.580 Flüchtlinge  in der Grundversorgung.  Aktuell sind  es  20.700. 72 Millionen Euro hat die Versorgung ge- kostet.

Zu den aktuellen Schlusslichtern ins Sachen Quotenerfüllung zählen Kärnten, Salzburg und Tirol. Letzteres hat  seit Jahresbeginn aber deutlich zugelegt: „Uns ist es geglückt, etliche neue Unterkünfte zu eröffnen“, sagt Georg Mackner von den Tiroler Sozialen Diensten. Gegenwehr habe es in keinem Fall gegeben. „Aber wir wollten das diskutieren. Man braucht ja auch die entsprechende Infrastruktur wie Schulen oder Kindergärten.“

Foto: AP/Darko Vojinovic

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Infografik von Christian Schwarz