"Traiskirchen war einAbbild des Versagensder Asylpolitik"
Bürgermeister Andreas Babler plädiert für einVerteilungsgesetz, das mit finanziellenSanktionen für Gemeinden gekoppelt werden soll.
KURIER: Wie würden Sie das Traiskirchen von vor einem Jahr beschreiben?
Andreas Babler: Unsere Stadt war das Abbild des Versagens der österreichischen Asyl-politik: Tausende Menschen, die unter freiem Himmel schlafen, die mangelhafte medi-zinische Versorgung, dass Amnesty International hier prüft – unvorstellbar. Da wareine völlige Überforderung und eine nicht mehr handlungsfähige Innenministerin. Eshat sich die Frage gestellt, ob man diese Bilder produziert, um den Flüchtenden zu ver-mitteln: Wenn du zu uns kommst, musst du im Dreck liegen.
Das Erstaufnahmelager war ja bereits im Juli 2015, noch vor dem großen Flüchtlings-strom im September, völlig überfüllt. Wie schaut es jetzt aus?
"Früher waren es in Traiskirchen oft mehr als 4000 Flüchtlinge,heute liegen wir zwischen 6500 und 700 Menschen."
Früher waren es oft mehr als 4000, heute liegen wir zwi-schen 650 und 700 Menschen. Es ist immer noch einGroßlager. Mit diesem System schafft man Konflikte,weil die Menschen dann nur noch eine Nummer sind.Dabei wäre es ein gemeinsames Interesse von Politik undBevölkerung, dass die Versorgung stimmt.
Hat man aus der Krise gelernt?
Ich bin mir nicht sicher. In Traiskirchen ist es jetzt nurdeshalb so ruhig, weil im Vorjahr Zigtausende Quartiere
entstanden sind. Die Flüchtenden können relativ schnell verteilt werden. Daraufverlässt man sich. Dabei sollte man diese "Halbruhe" nutzen, um strukturelleLösungen zu schaffen.
Was erwarten Sie sich vom neuen Innenminister?
Erstens brauchen wir mehr Erstaufnahmezentren. 2011 hat es schon geheißen, es kannnicht nur Traiskirchen und Thalham geben. Zweitens plädiere ich für ein Aufteilungs-
"Ich plädiere für ein
Aufteilungs- und Betreuungsgesetznach Einwohnerzahl"
und Betreuungsgesetz je nach Einwohnerzahl. Die 15a-Vereinbarung mit den Ländern ist relativ zahnlos. InDeutschland gibt es einen Schlüssel für die Aufteilung. Soetwas muss in Österreich mit dem Finanzausgleich derGemeinden gekoppelt werden, damit es auchSanktionsmöglichkeiten gibt. Wenn man das ein Mal
Interview vonRaffaela Lindorfer
gesetzlich regelt, nimmt man das Thema aus der politischen Diskussion.
Wie hat sich das Image der Stadt in der Krise gewandelt?
Früher hat jeder die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn er Traiskirchengehört hat. Aber in dem Chaos, das von außen hereingetragen wurde, sind Projekte mitder Bevölkerung entstanden, die bis heute wirken. Ich habe damals eine offensiveMedienstrategie verfolgt. Das war notwendig, um Druck nach oben zu machen.
Gab es Quertreiber?
Sicherlich hat die FPÖ versucht, daraus Kapital zu schlagen, aber das Kalkül ist bei unsnicht aufgegangen. Die Leute haben gesehen, dass es einen Bürgermeister gibt, der mitallen Mitteln kämpft. Und in vielen Gemeinden, in denen Quartiere hätten entstehensollen, um Traiskirchen zu entlasten, ist die FPÖ mit ihren Taferln gestanden.Wasraten Sie Bürgermeistern, die da Ängste haben?Linie halten. Eine Stimmung dreht sichnur dann, wenn die Führung und das Konzept schwach sind. Wenn man demPopulismus nachgibt, verstärkt man nur Ängste, die Lösungen verhindern.