Spielfeld: „Grenzmanagement“ für niemand

Kosten in Millionenhöhe, aber kein einziger Flüchtling mehr seit dem 6. März angekommen.

Es begann mit der "Schande von Spielfeld". Diese Schlagzeile im KURIER sorgte für erhebliches Aufsehen. Allein auf Facebook wurde der Bericht innerhalb weniger Stunden über 5000 Mal geteilt. Rund 2000 Menschen – darunter auch hunderte Kinder – hatten die Nacht zuvor bei Temperaturen knapp über Null Grad auf dem kalten Betonboden am Grenzübergang verbracht. Einige Flüchtlinge

Text von

Dominik Schreiber

übernachteten in Kartons. Kinder verbrannten ihre Alu-

Decken und am Ende sogar ihre Jacken, weil es kein Brennmaterial mehr gab.

Außerdem fehlten Busse, um die Menschen von der Grenze wegzubekommen. Diese versuchten riskant über Bahngleise Richtung Norden zu gelangen oder bezahlten Wucherpreise: bis zu 800 Euro für eine Taxifahrt. Sogar aus

Wien kamen Taxifahrer, die das große Geschäft witterten. In Spielfeld selbst trafen KURIER-Reporter mehr bewaffnete Privatpersonen (drei) als freiwillige Helfer (einen). Die Lage war mehr als prekär.

Nur eines funktionierte: Die Straßenreinigung, die in der Früh, rechtzeitig bevor die meisten Medien in Spielfeld ankamen, die Spuren des nächtlichen Irrsinns verwischten. Während eine überforderte ORF-Lokalreporterin am Abend in der Zeit im Bild noch versuchte, das Geschehen schönzureden, stockten Bundesheer und Polizei bereits ihre Kontingente massiv auf. Plötzlich waren auch Busse aufzutreiben und von Tag zu Tag wurde die Situation menschlicher und weniger chaotisch.

Noch im Oktober kam auch die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu einem "Krisentreffen" an die Grenze in Spielfeld. Die Phrase, die sie dort erstmals offiziell und nicht nur im kleinen Kreis fallen ließ, sollte den folgenden politischen Kurs einzementieren:

"Wir müssen an einer Festung Europa bauen."

"Türl mit Seitenteilen"

Sie brachte damals in Österreich die Diskussion in Gange, an den EU-Außengrenzen so genannte "Hotspots" zur Registrierung von Flüchtlingen zu errichten. Passiert ist seither bekanntlich nichts dergleichen. Mikl-Leitner stieß bei jenem Besuch in der Steiermark auch die Debatte um einen Grenzzaun an, nachdem Ungarn ihre Grenze zu Kroatien wenige Tage zuvor dichtgemacht hatte. "Zaun" wollte damals aber niemand sagen, es wurde mit Euphemismen wie "Türl mit Seitenteilen" (Ex-Werner Faymann, SPÖ), "bauliche Maßnahme (Mikl-Leitner) bzw. einer "technischen Sicherung im Grenzbereich" jongliert. Gebaut wurde der heftig umstrittene Zaun dann tatsächlich.

Eine der Gründe war, dass Deutschland auf die Bremse stieg: Österreich sollte nur mehr 50 Flüchtlinge pro Stunde und Grenzübergang durchreisen lassen. An Spitzentagen waren es aber bis zu 5000, die in den Norden reisten. Mikl-Leitner begründete ihr hartes Durchgreifen unter anderem mit einer alarmierenden Prognose: Für 2016 rechnete sie mit 120.000 Flüchtlingen.

Auf "stand by"

Am 20. Jänner schließlich nahm das rund 1,7 Millionen Euro teure "Grenzmanagement" Spielfeld seinen Probebetrieb auf. Rund eineinhalb Monate lang blieb es in Vollbetrieb, am 6. März kam die bis heute letzte, 246-köpfige Flüchtlingsgruppe aus dem

slowenischen Camp in Sentilij an. Seither niemand mehr. "Es ist alles auf stand by", versichert Fritz Grundnig von der Landespolizeidirektion Steiermark. Container, Computer – alles ist noch da. Allein im April liefen Kosten von 758.000

Euro für den Einsatz der Exekutive und für Dolmetscher an, obwohl kein Flüchtling mehr ankam. Monat für Monat wurde das Polizeikontingent zurückgefahren, aktuell machen noch acht (statt einst 110) Beamte Dienst an der Grenze.

Gespenstische Lage

Zumindest als Sehenswürdigkeit ist das einst heftig diskutierte "Grenzmanagement" noch zu verwenden: Für kommende Woche hat sich ein dänisches TV-Team angesagt, um einen Beitrag zu drehen. Immer wieder wollen Journalisten aus aller Herren Länder vor Ort drehen. Doch die Lage dort ist eher gespenstisch.

Auf der slowenischen Seite hätten die Journalisten da weniger Erfolg: Das Camp in Sentilj wurde bereits abgebaut, in Slowenien rechnet man nicht mehr damit, es jemals wieder zu brauchen. In Österreich traut sich derzeit niemand, das anzusprechen.