Wie die Flüchtlingsbewegung dieWien-Wahl dominierte
„Hier stehe ich und kann nicht anders“: Wie Häupl der SPÖ Platz eins sicherte.
In den letzten Umfragen kurz vor der Wahl lagen SPÖ und FPÖbereits Kopf an Kopf. Die Blauen kamen mit Rückenwind aus denWahlen in der Steiermark und Oberösterreich, und nun wollteHeinz-Christian Strache Wien erobern. Schon in den anderenBundesländern hatte die FPÖ die anderen Parteien mit demAusländerthema vor sich her getrieben. Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache sprach von einer "neuen Völkerwanderung" derFlüchtlinge. "Tauschen wir diese Politiker aus, bevor diese Politikerdie eigene Bevölkerung austauschen", polterte er bei derAbschlusskundgebung.
"Wir haben uns dagegenentschieden."
Text von
Elias Natmessing undRaffaela Lindorfer
"Es gab damals Berater, die uns sagten: Es wird alles ganz furchtbar.Wir müssen schärfer reingehen", erzählt Georg Niedermühlbichler.Damals Landesgeschäftsführer der Wiener SPÖ, ist er mittlerweilezum Bundesgeschäftsführer aufgestiegen. "Hätten wir damals
Die SPÖ wollte ursprünglich auf ihre Kernthemen setzen: Arbeit,Wohnen, Bildung. Doch das Flüchtlingsthema änderte alles.
befeuert", sagt der rote Parteimanager. "Wir haben uns dagegenentschieden." In der letzten Plakatwelle goss man die Überzeugungin einen Slogan. "Für Haltung. Gegen Unmenschlichkeit", lautetedie Message. Mitte September dankte Bürgermeister Michael Häuplden Wienern für ihre Hilfsbereitschaft gar per Inserat in denZeitungen. Doch auch in Interviews vertrat der Bürgermeister seineHaltung. "Hier stehe ich und kann nicht anders. Man kann michdafür wählen oder nicht", sagte Häupl just am Gipfel derFlüchtlingskrise in Anlehnung an das Zitat von Martin Luther. Eswurde das stärkste Zitat des Wahlkampfs. Die SPÖ verlor Stimmen,gewann aber die Wahl.
gesagt, wir müssen zu jedem bösenFlüchtling einen Polizisten dazustellen,damit er ja nichts anstellt, hätten wiraber nur die Strategie der FPÖ
Proaktive Politik
"Diese proaktive Annahme des Themas war der Schlüssel zum Er-folg", sagt Politologe Peter Filzmaier. Im Gegensatz zur Bundesre-gierung habe man in Wien das Heft des Handelns in die Hand ge-nommen. Mit Peter Hacker wurde ein eigener Manager für dieFlüchtlingsversorgung engagiert. "Hätte die Verteilung der Flücht-linge in Wien nicht funktioniert, hätte das der SPÖ viele Stimmengekostet", sagt Niedermühlbichler heute.So konnte die SPÖ den ers-ten Platz halten, auch weil man mit der klaren Haltung möglicheNichtwähler, Grünwähler und Bürgerliche ansprach. Gleichzeitigkonnte man damit aber Ex-Wähler, die schon bei der vorherigenWahl der FPÖ ihre Stimme gegeben hatten, nicht zurückerobern."Das haben vor allem die Flächenbezirke gespürt", sagt Filzmaier.In Floridsdorf blieb die SPÖ nur ganz knapp vorne, in Simmeringverlor man den Bezirksvorsteher an die FPÖ. Symbolisch blieb Häupldennoch der authentischste Spitzenkandidat. Die größte Leistungder SPÖ sei gewesen, ein realistisches Ziel vorzugeben, sagt Filz-maier. Auch wenn man nach außen von der Rückeroberung der ab-soluten Mehrheit sprach – intern ging es darum, Platz Eins vor derFPÖ zu halten. Mit 39,59 Prozent blieb die SPÖ schlussendlich fastneun Prozentpunkte vor der FPÖ. Auch nach der Wahl blieben dieFlüchtlinge ein großes Thema in Wien. Und sie werden es auch beider nächsten Wahl sein.